Die Dokumentation im Krankenhaus und ähnlichen Einrichtungen
Siehe auch meine Beiträge zur aktuellen Rechtssprechung zur Dokumentation
Die Dokumentation …
ist nicht mehr lediglich als bloße Gedächtnisstütze zu sehen
sondern
– dient der Erfüllung der vertraglichen Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag
(NJW 1983, 333)
– soll sach- und fachgerechte Erst- und Anschlussbehandlung ermöglichen
– dient der Wahrung des Persönlichkeitsrechtes des Patienten (Art. 2 i. V. m. Art. 1 GG; danach hat der Patient das Recht auf Kenntnis und Wissen, was mit ihm unternommen wurde) (NJW 1989, 2330; NJW 1989, 764)
– dient dem Schutz vor haftungsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Beweislastumkehr zu Lasten Krankenhausträger, Arzt und Pflegepersonal.
Die Nichtdokumentation einer ärztlichen und pflegerischen gebotenen Maßnahme führt dazu, dass man davon ausgeht, dass diese Maßnahme auch nicht durchgeführt wurde. (Bsp aus der Pflege: – Lagerung und Bildung eines Dekubitus, wobei die Lagerung nicht oder nur lückenhaft dokumentiert wurde; oder – Patient ist ausgetrocknet und es bestehen keine Ein- und Ausfuhrlisten o.ä.= Pflegefehler)
– dient der Beweissicherung hinsichtlich möglicher Straftaten (z. B. Körperverletzungsdelikten oder Sexualdelikten)
– verbessert die Information und Kommunikation zwischen Arzt – Pflegepersonal – Patienten – Klinikleitung
– §§ 284; 286 ZPO (Beweiswürdigung)
– §§ 155 StPO
– § 10 MBO (= Musterberufsordnung für Ärzte)
– § 4 Krankenpflegegesetz und § 3 Altenpflegegesetz
– zugrundeliegender Behandlungsvertrag (NJW 1972, 1123)
Bsp: Dekubitusprophylaxe
– Jeder Dekubitus spricht zunächst für einen Pflegefehler. Es sei denn, die Pflegepersonen können durch z. B. Dokumentationen nachweisen, dass sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit und tatsächlichen Möglichkeiten alles getan haben, um den Dekubitus zu vermeiden.
– Es sind ganz konkret einzelne pflegerische Maßnahmen zu dokumentieren.
– Es muß erkennbar sein, wer welche Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt in welcher Form und aus welchen Gründen durchgeführt hat.
– Von der photographischen Dokumentation mit einer Digitalkamera sollte reger Gebrauch gemacht werden.
(VersR 87, 1238 und NJW 86, 2365)
– Alles Wesentliche muß enthalten sein. Also alle Maßnahmen, deren (Nicht-) Vorname im Einzelfall medizinische Konsequenzen haben kann,
insbesondere
– die Anamnese, wie Name, Vorname, Geburtsdatum, Wohnort, Gewicht, bekannte Allergien und Unverträglichkeiten etc.,
– geschilderter Unfallhergang,
– Vor- und ggfl. nachbehandelnde Ärzte
– Befunde,
– Behandlungsdauer,
– Diagnosen,
– Therapie, ärztliche Anordnungen im Rahmen der Therapie und im Rahmen der Pflege,
– OP-Bericht, Narkoseprotokoll, Sturzprotokoll
– Aufklärungsdokumentation (z. B. Perimedbögen mit handschriftlichen Zusätzen) über aufklärungspflichtige diagnostische und therapeutische Maßnahmen, (z.B. wie wirkt ein Medikament)
– etwaige Besonderheiten (z. B. Wechsel des Operateurs, OP durch Berufsanfänger (NJW 1985, 2193),
Verhaltensstörungen des Patienten oder eine schlechte Compliance = Behandlungsbereitschaft und Verordnungstreue des Patienten), s. u.
– durchgeführte pflegerische Maßnahmen, wie Maßnahmen zur Dekubitus-, Thrombose-, Pneumonie- und Kontrakturprophylaxe sowie z. B. auch kontrollierte Blutzuckerwerte und Blutdruckwerte,
– alltägliche Pflegemaßnahmen im Rahmen der Pflegestufenanerkennung durch MdK (Kontrolle bei Nahrungsaufnahme, Aufforderungen, aktivierende Pflege z.B. beim Duschen etc.)
– Maßnahmen im sozialen und psychotherapeutischen Bereich,
– wesentliche Beobachtungen,
– Medikation,
– behandlungsrelevante Entscheidungen des Patienten, wie z. B. gegen ärztlichen Rat die Einrichtung zu verlassen ,
(NJW 87, 2300)
– Behandlungsergebnis
– Epikrise.
– Ist eine aufzeichnungspflichtige diagnostische oder therapeutische Maßnahme nicht dokumentiert, so indiziert dies, dass sie auch nicht getroffen wurde. (NJW 81,2002)
– Aber:
Eine Dokumentation, die medizinisch nicht erforderlich ist, ist auch aus Rechtsgründen nicht geboten.
Die Dokumentation folgt medizinischen Maximen.
Aufzeichnungspflichtig sind die wesentlichen medizinischen Fakten, nicht aber Selbstverständlichkeiten, wie Windeln wechseln oder Hautdesinfektion vor intramuskulärer Injektion.
(VersR 98, 1026)
l Negative (unverdächtige) Befunde sind i. d. R. nicht zu dokumentieren. Ausnahmsweise aber dann, wenn sie medizinisch besonders wichtig sind (z.B. Vitalparameter).
(VersR 95, 706)
l Aus dem Rahmen fallende Vorkommnisse sollten auf jeden Fall dokumentiert werden. Wie z.B.
– Wechsel des Operateurs während der Operation
– Verlassen des Krankenhauses oder der Einrichtung gegen den ärztlichen Rat
(VersR 2001, 1516)
– totale oder partielle Therapieverweigerung
– Zwischenfälle bei Narkose, OP oder Pflegemaßnahmen
– Abweichen von der Standardbehandlung und -pflege sowie Angabe des Grundes
l Die nachträgliche Dokumentation ist möglich. Sie sollte aber als diese gekennzeichnet sein.
l Besondere Dokumentationsdaten
Während selbstverständliche und routinemäßige Maßnahmen nicht jedes Mal dokumentiert werden müssen, gibt es auch ärztliche und pflegerische Maßnahmen, die zum Schutz des Patienten und zur Vermeidbarkeit von Wiederholungen in speziellen Ausweisen dokumentiert werden sollten.
Hier sind beispielhaft zu nennen
– der Röntgenpaß,
– der Mutterpaß
– der Impfausweis
– die Herzschrittmacherkarte
– Medikamentenausweise, wie z. B. bei Marcumarpatienten
– Behandlungsausweis bei Organtransplantierten
– Prinzipiell gilt:
Unerheblich ist, ob die Dokumentation formell für den Laien verständlich ist. Es genügen klinik- und arztübliche Kürzel, Skizzen, Symbole, Kurzbegriffe bei Standartrisiken und Routineeingriffen und Behandlungen o. ä., die für den Fachmann verständlich sind.
(VersR 84, 386)
– Aber:
– Das AG Hagen verurteilte 1998 einen Mediziner dazu, einem Patienten eine lesbare Abschrift der Behandlungsunterlagen auszuhändigen. Das Original war nicht zu dechiffrieren.
– Die Unlesbarkeit von Dokumentationen kann Behandlungsfehlerkonsequenz haben.
– Z. B. die Ausgabe von falschen Medikamenten durch den Apotheker bei unleserlicher Verordnung. Hier kann es zur Haftung des Apothekers und des Arztes kommen. Zu erwägen ist aber auch im Einzelfall eine Mitschuld des Patienten.
– Oder die unleserliche Dokumentation von durchzuführender Grund- und Behandlungspflege oder Auffälligkeiten, die bei Schichtwechsel dann zu falschen Pflegemaßnahmen führt.
– des Patienten:
Dem Patienten ist umfassende Einsicht in die Krankenunterlagen zu gewähren, auch wenn diese grundsätzlich im Eigentum des Krankenhausträgers oder behandelnden Arztes stehen. Auf Verlangen müssen Kopien angefertigt und ausgehändigt werden gegen Erstattung der Kopierkosten.
Im Einzelfall kommt eine Verweigerung der Einsicht in die Krankenunterlagen unter strengen Voraussetzungen in Betracht, wenn die ernsthafte Gefahr der Selbstschädigung des Patienten besteht. Die dahingehenden Anhaltspunkte sind zu dokumentieren. Auch bei psychiatrischen Patienten können hier Ausnahmen gegeben sein.
(NJW 97, 2468 und 83, 2627)
– der Staatsanwaltschaft
Auch die Ermittlungsbehörden benötigen eine schriftliche Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, sonst greift das ärztliche Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 StPO.
Die Krankenunterlagen können aber per Gerichtsbeschluss beschlagnahmt werden. Bei Verstorbenen kann der Arzt Einsicht in die Krankenunterlagen gewähren, soweit er von einer mutmaßlichen Einwilligung ausgehen kann.
– Medizinischer Dienst der Krankenkassen
Der MdK hat umfangreiche Einsichtsrechte im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung.
§ 275 SGB V
§ 301 SGB V
§ 17 c KHG
Problematisch sind immer die Einstufungen von Personen in die Pflegestufen, die auf orthopädischem oder chirurgischem Gebiet kaum Erkrankungen vorweisen (können), jedoch aufgrund von z. B. Alzheimererkrankung oder auch Altersdemenz oder Verwirrtheit eine permanente Überwachung benötigen. Hier steht oft die Frage, was ist zu dokumentieren, damit eine hohe Pflegestufe anerkannt wird.
Diesbezüglich werden einzelne Passage aus den BRI (= Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches) zitiert, um einen groben Überblick zu geben:
Seite 69 (unter F Anhang): „So können die Hilfen im Sinne einer aktivierenden Pflege bei den Verrichtungen einen höheren Zeitaufwand erfordern als die teilweise oder vollständige Übernahme der Verrichtung durch die Pflegeperson. Bei der Festlegung der Zeitkorridore wurde von einer vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienkraft ausgegangen.“
D.h. bei einer aktivierenden Pflege, wie ständiges Ermahnen oder Auffordern, können bei nachvollziehbarer Begründung durchaus die vorgegebenen Zeitkorridore auch überschritten werden.
Auf Seite 48 der BRI steht: „ Die Zeitkorridore stehen nicht in einem Gegensatz zu dem Individualitätsprinzip des SGB XI. Weil für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu einer Pflegestufe allein der im Einzelfall bestehende individuelle Hilfebedarf des Versicherten maßgeblich ist, können und sollen die Zeitkorridore für die Begutachtung nach dem SGB XI nur Anhaltsgrößen im Sinne eines Orientierungsrahmens liefern.“
Auf Seite 34 findet sich folgendes: „Die teilweise Übernahme kann Bestandteil der aktivierenden Pflege sein. Sie ist dann darauf gerichtet, verloren gegangene Fähigkeiten wieder zu erlernen oder nicht vorhandene Fähigkeiten zu entwickeln. Auch wenn diese Ziele z. B. bei rasch fortschreitenden Erkrankungen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zu verwirklichen sind, soll der Pflegebedürftige die Verrichtungen des täglichen Lebens so weit wie möglich selbständig übernehmen.“
D.h. es soll die aktivierende Pflege der vollständigen Übernahme vorgezogen werden.
Seite 35: „Eine Anleitung ist erforderlich, wenn die Pflegeperson bei einer konkreten Verrichtung den Ablauf der einzelnen Handlungsschritte oder den ganzen Handlungsablauf lenken oder demonstrieren muß. Dies kann insbesondere dann erforderlich sein, wenn der Pflegebedürftige trotz vorhandener motorischer Fähigkeiten eine konkrete Verrichtung nicht in einem sinnvollen Ablauf durchführen kann. Zur Anleitung gehört auch die Motivierung des Antragstellers bzw. Pflegebedürftigen zur selbständigen Übernahme der regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens.
Bei der Beaufsichtigung steht zum einen die Sicherheit beim konkreten Handlungsablauf bei der Verrichtung im Vordergrund. Z. B. ist die Beaufsichtigung beim Rasieren erforderlich, wenn durch unsachgemäße Benutzung der Klinge oder des Stroms eine Selbstgefährdung gegeben ist. Zum anderen kann es um die Kontrolle darüber gehen, ob die betreffenden Verrichtungen in der erforderlichen Art und Weise durchgeführt werden.“
Seite 33: „Hilfebedarf ist auch dann gegeben, wenn die Verrichtung zwar motorisch ausgeübt, jedoch deren Notwendigkeit nicht erkannt oder nicht in sinnvolles Handeln umgesetzt werden kann.“
Siehe auch Seite 36 der BRI: „Bei der Bemessung der Häufigkeit des jeweiligen Hilfebedarfs…für die Verrichtungen des täglichen Lebens ist von den tatsächlichen individuellen Lebensgewohnheiten auszugehen, die der Antragsteller nachvollziehbar in seinem persönlichen Umfeld hat. Es gibt keine anerkannten allgemeingültigen Standards, wie oft man sich z. B. täglich kämmt oder die Zähne putzt.“