Geburtsschadensrecht

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Geburtsschadensrecht 2019-08-26T16:42:15+02:00

Geburtshilfefehler

„Durch die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung sollen mögliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind abgewendet sowie Gesundheitsstörungen rechtzeitig erkannt und der Behandlung zugeführt werden. Die ärztliche Beratung der Versicherten umfasst bei Bedarf auch Hinweise auf regionale Unterstützungsangebote für Eltern und Kind (z.B. „Frühe Hilfen“). Vorrangiges Ziel der ärztlichen Schwangerenvorsorge ist die frühzeitige Erkennung von Risikoschwangerschaften und Risikogeburten.

Dieses Zitat stammt aus der ärztlichen Mutterschutz-Richtlinie. Leider kommt es im Zuge der Schwangerschaft, der Geburt oder in der Nachgeburtsphase dennoch zu Fehlern von Ärzten oder Hebammen. Diese Behandlungsfehler können zu einer schweren Behinderung des Neugeborenen oder sogar zu dessen Tod führen. Die betroffenen Familien sehen sich einem enormen Schicksalsschlag ausgesetzt und fühlen sich meist heillos überfordert. Die Pflege eines behinderten Kindes erfordert fachliche Kenntnisse, oft den Umbau der gesamten Wohnung und finanzielle Mittel. Um mit dieser schweren Situation umzugehen, Schmerzensgeld sowie weitere Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger geltend zu machen, stehe ich Ihnen mit meiner langjährigen Erfahrung zur Seite. Der nachfolgende Artikel gibt Ihnen einen Überblick darüber was man unter einem Geburtshilfefehler versteht und welche Schadensposten in Betracht kommen.

A) Was versteht man unter Geburtshilfe?

Die Geburtshilfe, als Teilbereich der Frauenheilkunde, befasst sich mit der Überwachung von Schwangerschaften, der Geburt sowie mit gegebenenfalls erforderlichen Operationen im Zusammenhang damit. Die Tätigkeiten von Hebammen und Entbindungspflegern zählen ebenfalls zu diesem Bereich.

Fehler, die im Rahmen der Geburtshilfe durch die Behandelnden gemacht werden, bezeichnet man als Geburtshilfefehler.

B) Welche Arten von Geburtshilfefehlern gibt es?

Wie auch sonst im Arzthaftungsrecht kommen Behandlungsfehler, wie beispielsweise der Befunderhebungsfehler, Diagnosefehler, Therapiefehler oder Organisationsfehler des Arztes, des Krankenhauses oder der Hebamme/Entbindungspflegers in Betracht.

Für mehr Informationen zu den einzelnen Behandlungsfehlern siehe auch unter: Information: Behandlungsfehler im Bereich der Medizin auf meiner Website.

Geburtshilfefehler können sowohl vorgeburtlicher oder nachgeburtlicher Natur sein oder während der Geburt gemacht werden. Bereits im vorgeburtlichen Bereich, also nach Kenntnis der Schwangerschaft, werden zahlreiche Tests von Ärzten gemacht und das Heranwachsen des Embryos kontrolliert.

Im Folgenden sind einige Beispielsfälle aus den verschiedenen Phasen der Geburtshilfe dargestellt.

 I. Vorgeburtliche Geburtshilfefehler

1. Ich vertrat eine Mutter und deren Zwillinge, die aufgrund eines groben Behandlungsfehlers bereits in der 26. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt geholt werden mussten, und schwere Verletzungen erlitten. Der Arzt hatte blind mit dem Optiktrokars eingestochen, was niemals hätte passieren dürfen und die Fruchtblase verletzt. Der Arzt hätte hier eine offene Laparoskopie durchführen müssen.

Aufgrund der Frühgeburt war bei einem Zwilling die Lunge nicht voll entwickelt. Der andere hat eine Kopfdeformität und musste  eine entsprechende Kopforthese tragen. Zudem musste er am Herzen operiert werden. Die Augen mussten ferner gelasert werden, da sich die Netzhaut sonst abgelöst hätte.

Bei beiden Zwillingen liegt eine Entwicklungsverzögerung vor.

Wir verglichen uns auf eine Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 470.000 Euro (220.000 Euro pro Zwilling und 30.000 Euro für die Mutter).

Eine ausführliche Beschreibung des Falles, finden Sie auf meiner Website unter:

https://medizinrecht-online.com/Gynaekologischer-Fall–Fruehgeburt-von-Zwillingen_n87-87.htm

2. Ein anderes Beispiel für einen Behandlungsfehler des Arztes im vorgeburtlichen Bereich liegt vor, wenn bei einer Schwangeren mit Risikofaktoren (hier: Übergewicht) zwar Ultraschallbilder des Babys gemacht werden, es aber unterlassen wird, das Geburtsgewicht zu schätzen. Dies ist wichtig, da dem Kind bei sehr hohem Geburtsgewicht im Rahmen einer vaginalen Geburt Gefahren drohen. Daher müssen Ärzte das Geburtsgewicht schätzen um die Mutter anschließend über Alternativen zu der vaginalen Geburt informieren zu können. Unterlässt der Arzt dies stellt es einen maßgeblichen Behandlungsfehler und eine Verletzung der Befunderhebungspflicht dar.

Hätten die Ärzte in diesem Fall ordnungsgemäß gehandelt und das Geburtsgewicht des Kindes geschätzt, wäre ein Gewicht von etwa 4500 g festgestellt worden. Aufgrund des Gewichts hätten dem Kind im Falle einer vaginalen Geburt ernsthafte Gefahren gedroht . Daher wären die behandelnden Ärzte verpflichtet gewesen die Mutter über die Möglichkeit einen Kaiserschnitt durchzuführen aufzuklären.

Da die Ärzte die Mutter nicht über die Möglichkeit eines Kaiserschnittes aufgeklärt haben und das Neugeborene aufgrund dieser Befunderhebungs- und Behandlungsfehler einen Schaden davon trägt, haften die Ärzte hierfür. (OLG Köln vom 06.03.2002).

II. Fehler während der Geburt

1. Das OLG Schleswig- Holstein entschied am 24.02. 1993, dass die verspätete Einleitung einer Schnittentbindung als grober Behandlungsfehler zu werten ist, wenn aus objektiver Sicht nicht mehr nachvollziehbar ist, weshalb trotz einer (durch CTG) festgestellten Sauerstoffminderversorgung und eines eingetretenen Geburtsstillstandes eine Schnittentbindung nicht vorgenommen wurde.

Das Gericht konkretisiert, dass auch die Summierung vermeidbarer Zeitverluste bis zum Beginn der erforderlichen Operation berücksichtigt werden müssen, wobei auch geringfügige Verzögerungen des Operationsbeginns Bedeutung haben können.

In diesem Fall erlitt das Kind infolge der verzögerten ärztlichen Entscheidung über eine Kaiserschnittentbindung und des damit einhergehenden Sauerstoffmangels schwere Hirnschädigungen, die zu Dauerfolgen führten, wie die Unmöglichkeit einer gezielten Einsetzung des Bewegungsapparates und der Ausbildung eines artikulierten Sprachvermögens. Dem Kind wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000 DM zugesprochen .

2. Im Jahr 2013 vertrat ich eine Mutter und ihr Kind. Wir schlossen mit der gegnerischen Partei einen außergerichtlichen Vergleich und meine Mandanten erhielten eine Summe von 700.000 Euro.

In diesem Fall lagen schwere Befunderhebungsfehler vor. Bei der Mutter des Kindes bestand während der Schwangerschaft eine schwangerschaftsinduzierte Hypertonie. Werte von über 140 / 90 mmHg wurden bei meiner Mandantin mehrfach während der Schwangerschaft gemessen. Dementsprechend hätten engmaschige Kontrollen gemacht werden müssen, was die behandelnden Ärzte im Krankenhaus auch in dem Arztbrief an den Gynäkologen vermerkten. Dennoch unterließ der behandelnde Gynäkologe weitere Untersuchungen, wie eine CTG-Kontrolle oder eine Doppeluntersuchung, um die auffallenden Werte zu kontrollieren. Hätte der Gynäkologe diese Untersuchungen vorgenommen, wäre die kritische Durchblutungssituation des Kindes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bemerkt worden.

Innerhalb der letzten zwei Monate der Schwangerschaft entwickelte sich bei dem Fötus eine Wachstumsretardierung aufgrund der plazentaren Minderdurchblutung, was auch die Plazentahistologie bestätigt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist die Plazentainsuffizienz mit der Minderdurchblutung des Feten, über mehrere Tage, die Ursache für die Hypotrophie des Kindes. Vor der Geburt kam es dann zu einer Kreislaufdepression des Kindes.

Das Kind kam in der 39. Schwangerschaftswoche untergewichtig zur Welt und mit einer asymmetrischen Wachstumsretardierung. Es wurde umgehend in eine Kinderklinik verlegt.

Spätfolge ist Entwicklungsstörung des Kindes mit Tetraparesen und intellektuellen Störungen. Die motorischen Fähigkeiten liegen weit hinter denen von normal entwickelten Kindern. Es wurde die Pflegestufe II anerkannt.

Wir einigten uns auf eine Summe von 700.000 Euro. In dem abgegoltenen Betrag sind enthalten ein Schmerzensgeld sowie diverse materielle Schäden, wie imaginärer Verdienstausfall (in der Zukunft), Pflegegeld, Zuzahlungen zu Heil- und Hilfsmittel und erforderliche Hausumbauten.

Weitere Informationen zu diesem Fall, finden Sie auf meiner Website unter:

https://medizinrecht-online.com/Schmerzensgeld-und-Diagnosefehler–Geburtsfehler_n51-51.htm.

3. In einem anderen Fall hatte sich der Arzt schadensersatzpflichtig gemacht, da er den Geburtsverlauf nicht selbst überwacht hatte und notwendige Maßnahmen daher nicht ergriff. Die zuständige Hebamme hatte ein CTG aufgezeichnet, welches pathologisch war. Was angesichts solch eines CTGs zu veranlassen ist, ist die Entscheidung des geburtshelfenden Arztes. Dieser Arzt überließ die Überwachung des weiteren Geburtsverlauf, trotz Kenntnis des pathologischen CTGs, allein der Hebamme. Infolge der aufgrund des CTGs erkennbaren Sauerstoffunterversorgung, kam es bei dem Kind zu einem schweren Geburtsschaden in Form einer Hirnschädigung mit Tetraplegie, Athetose und Krampfleiden. Der geburtshelfende Arzt hätte den Geburtsverlauf selbst überwachen müssen und unverzüglich einen Abbruch durch Kaiserschnittoperation vornehmen müssen. Da er dies unterließ haftete er dem Kind in vollem Umfang auf Schadensersatz. (OLG Oldenburg vom 16.01.1996)

3. Nachgeburtliche Behandlung

Insbesondere bei Frühgeburten, unterversorgten Neugeborenen oder Zwillingsgeburten sind in der Nachgeburtsphase besondere Maßnahmen zu ergreifen. Werden diese Maßnahmen nicht oder fehlerhaft ausgeführt kann das Neugeborene gravierende Schäden davon tragen.

Das OLG Koblenz hat am 05.07.2004 eine Arzthaftungssache bei Kontroll- und Behandlungsdefiziten für ein mangelgeborenes Kind entschieden, und folgendes dazu ausgeführt:

Bei mangelgeborenen Kindern, in diesem Fall Zwillingen, ist das Risiko einer kritischen Unterzuckerung (Hypoglykämie) erhöht und mit etwa 50 % anzusetzen. Neugeborene, die diese Gefährdungsstufe aufweisen gehören grundsätzlich umgehend nach der Geburt in fachgerechte neonatologische Betreuung. Wird solch ein Kind in der geburtshilflichen Abteilung belassen, so muss dessen ordnungsgemäße Behandlung dort organisatorisch und fachlich sichergestellt werden.

Da bei Zwillingsschwangerschaften Wachstumsretardierungen zu Hypoglykämien führen können, zählt die Blutzuckerkontrolle des Neugeborenen zum ärztlichen Standard. Bei dem Kind müssen also regelmäßig Blutzuckerkontrollen durchgeführt werden und Glukosegaben bereit stehen um eine Blutunterzuckerung erkennen und behandeln zu können. Ist dies nicht gewährleistet, stellt dies einen schweren Behandlungsfehler dar.

Führen die behandelnden Ärzte solch Blutzuckerkontrollen nicht durch, verletzen sie ihre Kontroll- und Behandlungspflicht. Trägt das Kind aufgrund dessen Schäden davon, machen sich die Ärzte dem Kind gegenüber schadensersatzpflichtig. In diesem Fall erlitt das Kind aufgrund der ärztlichen Kontroll- und Behandlungsdefizite eine schwerste psychomotorische Retardierung mit Tetraspastik und linksseitiger Hirnschädigung unter Einbeziehung der Sehrinde, es entwickelte keine sprachliche Kommunikation, es benötigt einen Rollstuhl und es wird zeitlebens auf die Hilfe anderer in höchstem Maße angewiesen sein.

C) Grundsätze der ärztlichen Haftung

Grundsätzlich gilt, dass der Patient die Beweislast trägt. Konkret bedeutet dies, dass der Patient beweisen muss, dass der Behandelnde schuldhaft einen Fehler begangen hat, der Patient einen Schaden davon getragen hat und dass der begangene Fehler kausal für den Schaden ist. Diese Beweislast wird zum Beispiel bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers zu Gunsten des Geschädigten umgekehrt.

D) Welche Schadensposten kommen in Betracht

Zu unterscheiden sind immaterielle und materielle Schadenspositionen. Immaterielle Schäden sind Nichtvermögensschäden, also zum Beispiel Schmerzensgeld. Ein materieller Schaden, liegt zum Beispiel vor, wenn Eltern für ihr Kind aufgrund eines Fehlers des Behandelnden Arztes einen Pfleger beauftragen und bezahlen müssen.

I. Schmerzensgeld

Unter Schmerzensgeld ist die Entschädigung in Geld für einen Nichtvermögensschaden, zum Beispiel durch Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu verstehen, § 253 BGB. Um die Höhe des Schmerzensgeldes zu bestimmen, gibt es sogenannte Schmerzensgeldtabellen. Erleidet ein Patient einen Gesundheitsschaden durch einen Fehler des behandelnden Arztes, kann er Schmerzensgeldansprüche geltend machen. Die Höhe des Schmerzensgeldes bemisst sich nach der Verletzung  und der Intensität der Verletzung, die der Patient erlitten hat.

Hier finden Sie Beispiele aus der aktuellen Schmerzensgeldtabelle:

  • Schädigung des Gehirns bei der Geburt von Zwillingen, 50.000 Euro.
  • starke Behinderung eines Kindes durch einen nicht rechtzeitig behandelten Wasserkopf, 250.000 Euro.
  • Schmerzensgeld für ein schwerstbehindertes Baby nach zu spät eingeleitetem Kaiserschnitt, 600.000 Euro.
  • Schmerzensgeld wegen eines Geburtsschadens mit 100% Behinderung eines Babys, 700.000 Euro.

II. Zukunftsschaden

Hierbei handelt es sich um Schäden materieller oder immaterieller Natur, die zum Zeitpunkt des Prozesses noch nicht entstanden oder absehbar sind. Weiß man also nicht ob später noch ein Schaden aufgrund des Behandlungsfehlers entsteht oder kann man einen bereits entstandenen Schaden noch nicht beziffern, kann man dies im Prozess durch einen Feststellungsantrag im Rahmen der Klage, feststellen lassen. Dadurch läuft man nicht Gefahr, dass die Schadensersatzansprüche verjähren.

III. Entgeltschaden/Verdienstausfall

Grundsätzlich spricht man von einem Entgeltschaden oder Verdienstausfall, wenn die vorhandene Arbeitskraft beeinträchtigt wird oder ganz wegfällt und dem Verletzten dadurch ein konkreter Vermögensschaden entstanden ist. Das heißt, wenn ein Arbeitnehmer oder Selbständiger einen Gesundheitsschaden aufgrund eines von dem behandelnden Arzt zu vertretenen Fehlers erleidet und aufgrund dessen nicht mehr oder nur noch teilweise arbeiten kann, wird ein Entgeltschaden angenommen.

Zudem sind dem Verletzen diejenigen Vermögenseinbußen zu ersetzen, die er erleidet weil er in seiner beruflichen Weiterentwicklung behindert wird. Also zum Beispiel weil er aufgrund der Verletzung verspätet in den Beruf eintritt oder ein beruflicher Aufstieg nicht möglich ist.

Bei Kindern ist der Fall etwas komplizierter, da diese mit Ausnahme von Ferien- oder Wochenendjobs- regelmäßig nicht arbeiten und daher keinen Einkommensverlust vorweisen können. Kinder können jedoch in ihrer zukünftigen Ausrichtung betroffen sein.

Betroffenen Kindern sind sämtliche vermögensrechtlich relevante Nachteile, die aufgrund verzögerter Berufsausbildung oder verspätetem Erwerbsbeginn zu ersetzen. Beispiele hierfür sind unter anderem entgangener Ausbildungsvergütung für den Zeitraum der Verzögerung, entgangenes Entgelt für den Zeitraum der unfallkausalen Verzögerung des Berufseintritts, Verlust eines Stipendiums und veränderte Arbeitsmarktlage.

Die Schwierigkeit solcher Fälle liegt insbesondere darin, dass über die berufliche Zukunft der verletzten Kinder im Zeitpunkt des Schadenseintritts nichts oder zumindest noch nicht viel gesagt werden kann. Zu beachten ist, dass es für den Entgeltschaden nicht notwendig ist, dass eine Arbeitsfähigkeit irgendwann einmal bestanden hat.

Insoweit wird eine Zukunftsprognose abgegeben und gefragt wie wäre das Leben des Kindes und damit seine Ausbildung und Beruf verlaufen, wenn der Arzt keinen Fehler gemacht hätte. In der Regel hätte das Kind nach einer schulischen Ausbildung einen Beruf ergriffen. Welchen Beruf das Kind ergriffen hätte ist natürlich nur schwer vorherzusagen.

Daher wird auf folgende Faktoren zurückgegriffen:

  • bereits erkennbare Fähigkeiten, schon begonnene schulische oder berufliche Ausbildungen,
  • Neigungen oder Begabungen des Kindes,
  • berufliche Pläne für das Kind,
  • mit Einschränkungen schulische und berufliche Entwicklung im familiären Umfeld (zum Beispiel Geschwister), Ausbildung, Fortbildung und Beruf der Eltern und Entwicklung des Kindes nach der Verletzung.

Je weiter die schulische oder berufliche Ausbildung des Kindes fortgeschritten ist, umso konkreter ist die Grundlage für die Prognose.

Noch vor einiger Zeit wurde hauptsächlich die Ausbildung und Berufswahl der Eltern zum Vergleich der Eltern herangezogen. Handelte es sich bei den Eltern um ein Akademikerpaar wurde vermutet, dass das Kind auch studiert hätte. Übten die Eltern einen Ausbildungsberuf aus, wurde vermutet, dass das Kind auch eine Ausbildung absolviert hätte. Das Abstellen auf das Berufsbild der Eltern allein wird heute nicht mehr als entscheidender alleiniger Aspekt für die Zukunftsprognose des Kindes herangezogen, sondern stellt lediglich einen vieler Faktoren dar.

Nimmt man also an, dass das Kind ohne die Behinderung eine Ausbildung zum Handwerker gemacht hätte, kann es ab dem 18. Lebensjahr das Nettojahresgehalt eines Handwerker- Auszubildenden verlangen.

Hätte das Kind wahrscheinlich ein Studium absolviert, kann es ab dem 25. Lebensjahr das Nettojahresgehalt verlangen, was Berufseinsteiger, die das selbe Studium absolviert haben, verdienen würden.

IV. Vermehrte Bedürfnisse

Erleidet das Kind aufgrund des Arztfehlers eine Behinderung oder eine anderweitige Beeinträchtigung, kann es je nach Verletzung und Intensität sein, dass das Kind sein Leben lang vermehrte Bedürfnisse hat oder mehr Hilfe als andere benötigt.  Dies ist regelmäßig mit erhöhten Kosten verbunden. Das geschädigte Kind kann diese Kosten von dem Schädiger verlangen. Im Folgenden finden Sie eine Übersicht über die wichtigsten Ansprüche aufgrund vermehrter Bedürfnisse.

1. Pflegeschaden

Unter einem Pflegeschaden ist die materielle Einbuße von Eltern zu verstehen, die einen Pfleger für ihr aufgrund eines Geburtsschadens behindertes Kind beauftragen und bezahlen müssen. Diese Kosten trägt der Prozessgegner.

Pflegen die Eltern ihr Kind selber, wird ihnen die Pflegezeit nach ortsüblicher Bezahlung einer (ungelernten) Pflegekraft erstattet. Denn der Schädiger soll keinen Vorteil davon haben, dass die Eltern ihr Kind selbst pflegen. Benötigen die Eltern bestimmte Fachkenntnisse und erlernen sie diese, können sie auch den Stundenlohn einer gelernten Pflegekraft geltend machen. Zu beachten ist, dass die Eltern möglichst genau aufschreiben müssen, wie viele Stunden am Tag sie mit der Pflege beschäftigt sind und welche Pflegemaßnahmen sie durchführen.

In manchen Fällen wird das Kind auch in eine Pflegeeinrichtung verbracht. Die Kosten hierfür sind deutlich höher und muss auch der Prozessgegner tragen.

2. Haushaltsführungsschaden

Auch bei dem Haushaltsführungsschaden wird darauf abgestellt, wie das Leben des Kindes ohne des Fehlers des Arztes oder ohne die Behinderung verlaufen wäre. Man kann sagen, dass das Kind mit circa 20 Jahren seinen eigenen Haushalt geführt und in jüngeren Jahren im Haushalt der Eltern mitgeholfen hätte, ohne die Behinderung oder den Fehler des Arztes. Dies ist nun aber nicht möglich, so dass das Kind für seinen eigenen Haushalt eine Haushaltshilfe benötigt. Im Falle einer Anstellung einer Haushaltshilfe spricht man von einem tatsächlichen Haushaltsführungsschaden. Es kommt aber oft vor, dass die Familie oder Freude des Kindes einspringen und den Haushalt für das Kind kostenfrei führen. In diesem Fall wird fiktiv so getan, als ob das Kind seine Familie oder seine Freunde für deren Tätigkeit bezahlen würde. Hierbei spricht man von einem fiktiven Haushaltsführungsschaden.

Die Kosten für den tatsächlichen oder fiktiven Haushaltsführungsschaden trägt der Schädiger. Im Falle des fiktiven Haushaltsführungsschaden gilt ebenfalls der Grundsatz, dass der Schädiger nicht davon profitieren soll, dass die Familie oder Freunde des Kindes die anfallende Arbeit anstelle einer externen Haushaltshilfe verrichten.

3. Umbaumaßnahmen aufgrund einer Behinderung

Benötigt ein Kind aufgrund eines Geburtsschadens beispielsweise einen Rollstuhl, muss die Wohnung oder Haus dementsprechend umgebaut werden. So müssen Schränke oder Anrichten tiefer aufgebaut werden oder Türen verbreitert werden. Diese Kosten muss die Gegenseite tragen. In manchen Fällen bietet sich auch ein Umzug in eine behindertengerechte Mietswohnung an. Diese sind meist teurer als vergleichbare Wohnungen. Die Mietdifferenz und auch die Umzugskosten müssen von dem Schädiger erstattet werden.

4. Zuzahlungen des Patienten für Hilfsmittel

Es kann sein, dass das Kind aufgrund des Arztfehlers zum Beispiel auf eine Brille oder ein Hörgerät angewiesen ist. Manche Krankenkassen übernehmen jedoch nicht die kompletten Kosten für Hilfsmittel, Medikamente oder Therapien. Das bedeutet der Patient muss aus eigener Kasse Zuzahlungen leisten. Wenn diese Hilfsmittel, Medikamente oder Therapien wegen des Geburtshilfefehlers des Arztes notwendig sind, kann der Patient bzw. da Kind diese Zuzahlungen als Schadensersatz geltend machen.

5. Fahrtkosten

Fährt das Kind alleine oder mit einer Begleitperson zu Arztbesuchen fallen regelmäßig Fahrtkosten an. Diese Kann das Kind und seine Begleitperson von der Gegenseite erstattet verlangen. Hierfür sind Taxiquittungen, Bahntickets und ähnliches aufzubewahren und vorzulegen. Werden die Fahrten mit dem Auto absolviert, muss die Strecke mit Kilometerangaben aufgeschrieben werden. Für diese Fahrten wird eine Kilometerpauschale von 0,30 Euro von der Gegenseite gezahlt.

6. Rechtsverfolgungskosten

Aufgrund der Komplexität von dem Arzthaftungsrecht ist es ratsam einen auf Medizinrecht spezialisierten Anwalt zu beauftragen. Diese sogenannten Rechtsverfolgungskosten sind ebenfalls von der Gegenseite zu erstatten.